Thomas-Zurfluh

«Letztendlich entscheiden Nuancen über Sieg oder Niederlage»

Thomas Zurfluh ist seit 2012 als Experte und 2020 als Chefexperte für die SwissSkills tätig. 2010 gewann er diese selbst und wurde ein Jahr später in London an den WorldSkills Vizeweltmeister. Heute ist er bei Ruch AG in Altdorf als Leiter Bau und Mitglied der Geschäftsleitung tätig. Im Interview erzählt er, wie er die diesjährigen SwissSkills erlebte und was seine Arbeit als Chefexperte beinhaltet.

Die SwissSkills fanden dieses Jahr in einem anderen Rahmen statt. Wie wirkte sich diese Tatsache in Bezug auf Ihren Job als Chefexperte aus?

Meine Kernaufgabe unterschied sich nicht wesentlich gegenüber anderen Jahren. Ungewohnt war natürlich, dass Kandidaten und Experten ohne Beisein der Öffentlichkeit arbeiteten. Einige Besucher waren wohl da, jedoch wurden diese von den Kandidaten aufgrund der räumlichen Distanz nicht so intensiv wahrgenommen wie in anderen Jahren.

Wie haben Sie den Ablauf und die Umsetzung der SwissSkills für Metallbauer in Aarberg empfunden?

Das Bildungszentrum in Aarberg verfügt über sehr gute, ganzheitliche Infrastrukturen, die wir optimal nutzen konnten. Ob Werkstatteinrichtungen oder Räumlichkeiten für administrative Tätigkeiten, es passte für alle bestens.

Dieses Jahr hatten die Kandidaten einen chinesischen Tempel aus Metall anzufertigen. Aus welchen Komponenten und Materialien besteht so ein Tempel?

Ein solcher Tempel besteht aus verschiedenen Modulen, die dem sehr breiten Arbeitsfeld der Metallbauer gerecht werden. Ein Rahmen aus Stahlrohren bot dafür die Grundlage für den Einbau einer voll funktionstüchtigen, blechbeplankten Stahltür mit einem integrierten Türschliesser, einem Einsteckschloss und einem elektrischen Türöffner. Weiter musste eine Festverglasung aus Aluminium mit Glasfüllung hergestellt und im Grundrahmen eingebaut werden. Zudem galt es, ein spezielles Webelement aus Flachstahl passgenau zu produzieren. Ein Hut, bestehend aus zusammengeschweissten Stahlblechen, rundete die hohe Komplexität dieses Werks ab. So waren doch sehr viele verschiedene Arbeitstechniken und Verfahren gefordert, welche schlussendlich fair geprüft und bewertet werden konnten und somit sicherstellten, dass wirklich der Beste gewann.

Worauf achten die Experten, wenn sie die Kandidaten bewerten?

Grundsätzlich wird erst zum Schluss das fertige Werkstück der Kandidaten bewertet. Während des Wettbewerbs schauen wir auf ein logisches und strukturiertes Vorgehen und auf handwerkliches Geschick. Da dies jedoch kein fixer Bewertungsbestandteil ist, gibt uns das in erster Linie einen Eindruck, ob sich jemand für die WorldSkills eignet oder nicht. Dabei sind die Leidenschaft für den Beruf, die Begeisterung für den Wettkampf, ein hohes Mass an handwerklichem Geschick, aber auch ein stabiles privates und berufliches Umfeld sehr wichtig.

Wie werden die Kandidaten bewertet?

Wir haben ein klar definiertes Raster, nach dem Punkte vergeben werden. Neben klar vorgegebenen Massen wird die technische Richtigkeit wie die Ebenheit, die Parallelität sowie die Rechtwinkligkeit überprüft. Weiter wird aber auch die ganze Verarbeitung, die Funktion der einzelnen Bauteile und der Gesamteindruck überprüft. Wichtig ist dabei, dass alle Kandidaten gleich bewertet werden, damit dann auch wirklich der Beste gewinnt.

Welche Komponenten forderten die Teilnehmer am stärksten?

Letztendlich ist es immer der «innere Schweinehund», der die Kandidaten am meisten fordert. Die Zeit ist ultraknapp bemessen, die Qualitätsvorgaben sehr hoch. Damit die Kandidaten die enormen Qualitätsanforderungen in der sehr knappen Zeit bestmöglich erfüllen können, werden sie mental enorm gefordert. Es ist sehr schwierig, in solchen Situationen einen klaren Kopf zu behalten.

Wo waren bei den Prüfungen und Bewertungen die grössten Abweichungen zum Idealzustand festzustellen?

Bei den Besten entscheiden letztendlich Nuancen über Sieg oder Niederlage. Grundsätzlich ist Perfektion bei diesen Metallbauarbeiten meistens nicht erreichbar. Trotzdem wurden uns auch dieses Jahr viele Werkstücke präsentiert, die dem Gewünschten sehr nahe kamen. Mehreren Kandidaten hatte es dieses Jahr einfach an Zeit gefehlt. Aber an den erledigten Modulen war bei jedem ein hohes Mass an Qualität feststellbar.

Welche Schlüsse und Erkenntnisse nehmen Sie für sich persönlich mit aus den SwissSkills 2020?

Diese jungen und hochmotivierten Berufsleute haben mich begeistert. Alle hatten ihre Komfortzone verlassen und sich den hohen Herausforderung gestellt und diese auch bestens gemeistert. Es hat mir gezeigt, dass auch die Jungen von heute eine Riesenportion handwerkliches Geschick und mentale Stärke mitbringen, sodass auch in Zukunft Metallbau mit Leidenschaft gelebt wird.